Nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum

So gelingt der Wandel mit MaaS und DRT

Teresa Gehling (Padam Mobility), Svenja Katharina Weiß (Hacon)

Was die BVG in ihrem Coversong „Wir fahren allein allein“ besingt, ist im ländlichen Raum weniger die pandemiebedingte Ausnahme als die Regel. Der Öffentliche Verkehr ist für das Alltagsleben in ländlichen Regionen praktisch irrelevant; nur 5% der Wege werden mit ihm zurückgelegt. Dominant ist hingegen der private PKW, auf den 70% der Wege entfallen.

 

Alternativen zum Auto – nicht vorhanden?

Gerade in stark zersiedelten, ländlichen Räumen ist es kaum möglich, fahrplan- und liniengebundene ÖV-Angebote wirtschaftlich zu betreiben. Entsprechend dünn ist das Angebot: Eine Haltestelle mit mind. einer Abfahrt pro Stunde und Richtung (zwischen 6 und 20 Uhr an Werktagen) ist für nur 19% der Landbewohner in einem Luftlinienradius von 250m um ihren Wohnort verfügbar.[2] Die Attraktivität des ÖVs im ländlichen Raum scheitert jedoch nicht nur an der Entfernung zur nächsten Haltestelle und an der Bedienhäufigkeit, sondern z. B. auch an mangelnder Zuverlässigkeit der Anschlusssicherung, an umständlichen Umsteigeverbindungen, an vernachlässigten Haltestelleninfrastrukturen und komplizierten Tarifen. Hier besteht an vielen Stellen noch Nachbesserungsbedarf, weswegen der Öffentliche Verkehr insgesamt nicht als gleichwertige Alternative zum eigenen Auto wahrgenommen wird. Mikromobilität und etwa Car-Sharingdienste werden im ländlichen Raum in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen nicht angeboten. Fahrradwege führen oft auf oder an Landstraßen entlang und sichere Fußwege zwischen Ortschaften sind ebenfalls nicht flächendeckend vorhanden. Das stark begrenzte Angebot an alltagstauglichen Alternativen führt zu einer Abhängigkeit vom privaten PKW.

Folgen der Abhängigkeit vom privaten PKW

Der hohe Anteil des MIV an der Verkehrsleistung im ländlichen Raum hat u. a. negative Auswirkungen auf Co2-Emissionen, Luftverschmutzung und Flächenversiegelung. Pendlerströme zwischen ländlichen und städtischen Gebieten tragen darüber hinaus zum Verkehrskollaps auf zentralen Einfallrouten bei. Neben den direkten Effekten der verstärkten PKW-Nutzung bereitet aber vor allem die Abhängigkeit davon Sorgen: Junge und alte Menschen ohne Führerschein, Menschen mit sehr geringen Einkommen oder teilweise auch Menschen mit Behinderungen sind dadurch in ihren Bewegungsmöglichkeiten extrem eingeschränkt und auf die Hilfe Dritter angewiesen. Das ist ein Problem sozialer Gerechtigkeit, daneben aber auch ein Faktor, der die Attraktivität des ländlichen Raums beeinträchtigt und zu weiterer Abwanderung beitragen kann. Wie also das Mobilitätsangebot auf dem Land verbessern?

Flexible Ergänzungen des linien- und fahrplangebundenen Verkehrs mit On-Demand-Services

Bedarfsgesteuerte Angebote erlauben es, insbesondere gering frequentierte Zeiten und Gebiete zu bedienen und somit Mobilitätslücken zu reduzieren. Bisherige Lösungen wie Rufbusse oder Anrufsammeltaxen sind aber in der Regel fahrplangebunden und erfordern eine rechtzeitige Anmeldung von etwa 30 bis 60 Minuten vor Fahrtbeginn. Das ist für viele Anwendungsfälle nicht praktikabel und vermittelt Fahrgästen kein ausreichendes Gefühl von Flexibilität und Selbstbestimmtheit.

Moderne On-Demand-Konzepte hingegen ermöglichen es, ein nahezu maßgeschneidertes Transportangebot einzurichten. Nutzer können eine Fahrt zur gewünschten Zeit eigenständig via App, Website oder Telefon buchen. Je nach Modell ist der Service dabei nicht an feste Linien gebunden, sondern verkehrt frei in definierten Zonen und kombiniert physische und virtuelle Haltepunkte. Anders als etwa Taxidienste sind On-Demand-Services darauf ausgerichtet, Fahrten dynamisch zu bündeln. Intelligente Algorithmen sorgen für eine effiziente Routenplanung: Es werden nur Punkte angefahren, an denen ein Fahrgast zu- oder aussteigen möchte. So müssen Fahrgäste nur minimale Umwege hinnehmen, während Leerfahrten deutlich reduziert werden.

 

 

Gesamtheitliche Mobilitätsangebote: MaaS-Apps mit On-Demand-Integration

On-Demand-Verkehre in ländlichen Räumen sind nicht nur für den direkten Verkehr zwischen Ortschaften sinnvoll einsetzbar, sondern auch als Zu- und Abbringer für z. B. Bahnverbindungen in nahegelegene Metropolen. Solche intermodalen Reiseketten müssen unkompliziert und zuverlässig plan- und buchbar sein: Fahrgäste möchten nicht an drei verschiedenen Orten nachschauen, wann ihr Zug fährt, welchen Bus sie am Zielort nehmen und wann ein On-Demand-Shuttle für die erste Meile verfügbar ist. Das ist umständlich und erhöht das Risiko, sich bei Anschlusszeiten zu verschätzen. Hinzu kommt, dass gerade bei Reisen über Verbundgrenzen hinweg die Preiskalkulation schnell komplex und intransparent wird. Die Akzeptanz von On-Demand-Angeboten, aber auch des gesamten Öffentlichen Verkehrs erhöht sich erheblich, wenn sie in MaaS-Apps tiefenintegriert sind und Nutzer in nur einem Vorgang, mit nur einer App und einem Account alle für ihre Fahrt erforderlichen Modi gebündelt bezahlen können. Noch mehr Flexibilität wird etwa durch die Integration weiterer Angebote, etwa von Carsharing in nahegelegenen Kleinstädten, geschaffen.

Aufgrund des erheblich umfangreicheren und sehr breit gestreuten Mobilitätsangebots in Großstädten wird Mobility-as-a-Service häufig als rein urbanes Konzept verstanden. Dabei ist es in Regionen mit begrenztem Angebot besonders wichtig, bestehende Services sinnvoll zu orchestrieren. Durch systematische Auswertung der aggregierten Verbindungsanfragen kann zudem herausgefunden werden, wo ggf. eine Mobilitätsnachfrage besteht, für die es noch kein Angebot gibt. Diese Angebotslücken können wiederum neue Mobilitätsanbieter dazu motivieren, sich auch auf dem Land zu engagieren. So wird ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess angestoßen, der die Lebensqualität erhöht und dazu beiträgt, dass die Mobilitätswende auch auf dem Land gelingt. Denn Mobilität ist ein Grundbedürfnis, das für jeden und jede zugänglich gemacht werden muss. Durch die Einführung von MaaS-Konzepten mit On-Demand-Komponente kann nicht nur eine flächendeckende und auf Kundenbedürfnisse angepasste Mobilitätslösung abseits des eigenen Autos geschaffen, sondern auch dazu beigetragen werden, den ÖV insgesamt attraktiver und ressourcenschonender zu gestalten.